
Die Beherrschung Ihrer Traktionskontrolle hängt nicht von der perfekten Stufe ab, sondern vom Verständnis ihrer sensorischen Logik.
- Moderne Systeme regeln sanfter, weil sie den Grip-Verlust tausendfach pro Sekunde vorhersagen, nicht nur darauf reagieren.
- Die Wahl der richtigen Stufe ist eine proaktive Anpassung an das erwartete „Grip-Potenzial“ des Untergrunds, kein reaktiver Notanker.
Empfehlung: Lernen Sie, die Straße wie das System zu „lesen“ und die passende Unterstützung zu wählen, bevor Sie sie brauchen. Nur so wird die Technik vom Sicherheitsnetz zum Performance-Werkzeug.
Der Geruch von feuchtem Asphalt mischt sich mit dem von nassem Laub. Ein typischer Herbsttag in Deutschland. Vor Ihnen liegt eine Kurve, gepflastert mit altem, unebenem Kopfstein. Jeder Ganzjahresfahrer und Pendler kennt diesen Moment des Zögerns. Ein falscher Tritt ins Pedal, ein unachtsamer Lenkimpuls, und das Hinterrad verliert den Halt. Die gängigen Ratschläge sind bekannt: langsamer fahren, sanfter bremsen, den Reifendruck prüfen. Doch das sind nur Pflaster auf einer Wunde, die eigentlich tiefer liegt. Diese Tipps behandeln das Symptom – die Angst vor dem Rutschen – aber nicht die Ursache: das fehlende Vertrauen in die Symbiose aus Fahrer und Maschine.
Was wäre, wenn der Schlüssel nicht darin liegt, die Technik zu fürchten, sondern ihre Sprache zu lernen? Moderne Traktionskontrollen (TC) sind keine simplen „Anti-Rutsch-Systeme“ mehr. Sie sind komplexe neuronale Netzwerke auf zwei Rädern, die blitzschnell Entscheidungen treffen. Anstatt nur zu reagieren, wenn es zu spät ist, agieren sie vorausschauend. Der wahre Fortschritt liegt nicht darin, blind auf die höchste Stufe zu vertrauen, sondern die sensorische Logik des Systems zu verstehen. Es geht darum, das Grip-Potenzial einer nassen Kopfsteinpflaster-Passage oder einer laubbedeckten Allee so einzuschätzen, wie es der Sensor tun würde.
Dieser Artikel ist kein gewöhnlicher Ratgeber. Er ist ein Einblick in die Denkweise eines Testfahrers. Wir werden nicht nur darüber sprechen, *welchen* Knopf Sie drücken sollen. Wir werden entschlüsseln, *warum* eine moderne TC sanfter regelt, wie Sie die richtige Stufe für tückische Bedingungen wie nasses Herbstlaub proaktiv wählen und wann Sie das System bewusst deaktivieren müssen, um die volle Kontrolle zu behalten. Es ist an der Zeit, die Traktionskontrolle nicht als Gegner, sondern als Ihren fähigsten Co-Piloten zu betrachten.
Für alle, die die technischen Grundlagen lieber visuell erfassen, bietet das folgende Video eine ausgezeichnete Erklärung der Prinzipien der Traktionskontrolle am Motorrad. Viele dieser Konzepte sind direkt auf die leistungsstarken Systeme moderner E-Bikes übertragbar.
Um die Kontrolle über Ihr Fahrzeug auf unvorhersehbaren Untergründen vollständig zu meistern, ist es unerlässlich, die Funktionsweise und die Grenzen der einzelnen Assistenzsysteme genau zu verstehen. Dieser Leitfaden führt Sie schrittweise durch die entscheidenden Aspekte.
Inhaltsverzeichnis: Traktionskontrolle für E-Bike-Pendler meistern
- Warum regelt eine moderne Traktionskontrolle sanfter als Systeme von vor 10 Jahren?
- Wie wählen Sie die richtige TC-Stufe für eine Fahrt über nasses Herbstlaub?
- Traktionskontrolle im Gelände: Wann müssen Sie das System zwingend deaktivieren?
- Der Moment, in dem die Traktionskontrolle physikalisch machtlos ist und Sie trotzdem stürzen
- Wie erkennen Sie einen defekten ABS-Sensor, bevor das System komplett ausfällt?
- Warum bremst das Auto von selbst ein einzelnes Rad ab, wenn Sie zu schnell in die Kurve fahren?
- Wie nutzen Sie Telematik-Daten, um Fahrer zu sparsamerem Fahren zu motivieren?
- Wie verhindern ESP und Notbremsassistenten, dass Sie die Kontrolle über Ihr Fahrzeug verlieren?
Warum regelt eine moderne Traktionskontrolle sanfter als Systeme von vor 10 Jahren?
Die Antwort liegt in einem Wort: Voraussicht. Ältere Systeme waren rein reaktiv. Sie haben einen massiven Drehzahlunterschied zwischen Vorder- und Hinterrad registriert – also einen bereits stattfindenden Schlupf – und dann abrupt die Motorleistung gekappt. Das fühlte sich oft an, als würde jemand den Anker werfen. Der Eingriff war grob, laut und hat den Fahrfluss massiv gestört. Heutige Systeme sind fundamental anders. Sie arbeiten mit einer extrem hohen Abtastfrequenz und fortschrittlichen Algorithmen. So können moderne E-Bike-ABS-Systeme wie das von Bosch bis zu 1000 Mal pro Sekunde die Raddrehzahlen abfragen. Diese immense Datenmenge erlaubt es dem System, nicht nur auf einen Schlupf zu reagieren, sondern winzige Beschleunigungsanomalien zu erkennen, die einem Gripverlust unmittelbar vorausgehen.
Stellen Sie es sich wie einen erfahrenen Seismologen vor, der nicht erst das Erdbeben meldet, wenn die Wände wackeln, sondern bereits die kleinsten Vorbeben registriert und daraus die Wahrscheinlichkeit einer größeren Erschütterung ableitet. Das System reduziert das Drehmoment minimal und präventiv, oft so sanft, dass der Fahrer es kaum bemerkt. Es hält das Rad konstant an der Grenze des maximalen Grips, anstatt es weit darunter zurückzuzwingen. Diese Evolution wird durch die stetige Miniaturisierung und Verbesserung der Hardware ermöglicht. Das Bosch E-Bike ABS der zweiten Generation ist beispielsweise 77 % kleiner und 55 % leichter als sein Vorgänger, regelt aber durch eine verfeinerte Sensorik und Software den Bremsdruck noch exakter. Das Ergebnis ist kein ruckelnder Eingriff mehr, sondern eine fließende, fast organische Unterstützung, die Sicherheit gibt, ohne den Fahrspaß zu nehmen.
Wie wählen Sie die richtige TC-Stufe für eine Fahrt über nasses Herbstlaub?
Die Fahrt über eine dicke Schicht nasser Blätter ist der Albtraum für jeden Zweiradfahrer. Der Grip ist unvorhersehbar und kann sich von einem Moment auf den anderen komplett verändern. Hier kommt die proaktive Anpassung ins Spiel. Anstatt einfach auf die stärkste TC-Stufe zu schalten, müssen Sie das Grip-Potenzial der vor Ihnen liegenden Strecke bewerten. Ein modernes System wie das von Bosch bietet dafür verschiedene, auf den Untergrund abgestimmte Modi. Diese sind Ihr Werkzeugkasten, um die sensorische Logik des Systems an die Realität anzupassen.

Für eine Stadtfahrt, die über feuchtes Laub auf Asphalt führt, ist der Modus „Touring“ oft die beste Wahl. Er ist für wechselnde Fahrbahnbeläge konzipiert und erlaubt einen minimalen Schlupf, um den Vortrieb nicht zu stark zu hemmen, greift aber schnell ein, wenn das Rad auszubrechen droht. Die Modi sind klar definiert, um Ihnen die Entscheidung zu erleichtern:
- ABS Touring: Ideal für den Alltag in der Stadt und auf Touren mit wechselnden Belägen wie Asphalt, Schotterwegen oder nassem Laub. Ein Allrounder.
- ABS Allroad: Speziell für leichtes Gelände. Wenn Ihre Pendelstrecke durch einen Park mit Waldwegen führt, ist dies die richtige Wahl.
- ABS Trail: Für anspruchsvolle, sportliche Manöver im Gelände, wo mehr Schlupf und ein späterer Eingriff für die Fahrdynamik erwünscht sind.
- ABS Cargo: Optimiert für schwere Lastenräder, bei denen eine schnelle und spurtreue Bremsung im Vordergrund steht.
Die Wahl der richtigen Stufe ist also keine Frage von „viel hilft viel“. Es ist eine bewusste Entscheidung, die auf der Antizipation des Untergrunds basiert. Für das nasse Herbstlaub bedeutet das: Wählen Sie einen Modus wie „Touring“, der dem System signalisiert, sensibel auf plötzliche Grip-Veränderungen zu achten, aber dennoch einen flüssigen Fahrstil zu ermöglichen.
Traktionskontrolle im Gelände: Wann müssen Sie das System zwingend deaktivieren?
Während die Traktionskontrolle auf der Straße ein Segen ist, kann sie im Gelände unter bestimmten Bedingungen zur Fessel werden. Die sensorische Logik des Systems ist darauf programmiert, durchdrehende Räder als Gefahr zu interpretieren und zu unterbinden. In tiefem Schlamm, losem Sand oder steilen Anstiegen auf losem Untergrund ist jedoch genau das Gegenteil erforderlich: kontrollierter Schlupf ist hier gleich Vortrieb. Das Rad muss sich quasi in den Untergrund „eingraben“, um Grip zu finden. Eine aktive TC würde hier die Motorleistung so weit reduzieren, dass Sie unweigerlich stecken bleiben.
Hier muss der erfahrene Fahrer die Kontrolle übernehmen und dem System eine Pause gönnen. Viele Offroad-Modi, wie bei KTM-Systemen beschrieben, erlauben bereits einen sehr hohen Schlupf (bis zu 100 %, was einer doppelten Raddrehzahl entspricht), aber in extremen Situationen ist das vollständige Deaktivieren der einzige Weg. Dies ist kein Versagen der Technik, sondern die anerkannte Grenze ihres Anwendungsbereichs.
Der ‚Offroad‘-Modus lässt 100% Schlupf zu, was für eine doppelt so große Raddrehzahl steht und für ambitionierten Offroad-Einsatz gedacht ist – bei tiefem Schlamm ist dies essentiell für den Vortrieb.
– Erfahrung eines Fahrers, KTM Kosak Techvideo
Der Experte Andy Rieger formuliert es im Magazin ElektroRad treffend, wann die manuelle Übersteuerung durch den Fahrer gefragt ist. Es geht um den Moment, in dem die eigene, über Jahre antrainierte Fahrtechnik dem Algorithmus überlegen ist:
Für den Extremeinsatz im technisch schweren Gelände, wo man 100 Prozent auf seine professionelle Fahrtechnik vertrauen möchte, kann man das System via App über sein Smartphone ganz einfach komplett deaktivieren.
– Andy Rieger, ElektroRad – Fahrsicherheit Serie
Das Deaktivieren ist also kein Akt der Lässigkeit, sondern eine bewusste, fahrtechnische Entscheidung. Sie signalisieren damit: „Ich übernehme ab hier. Ich benötige den vollen, ungedrosselten Kraftschluss, um diese Passage zu meistern.“ Dies erfordert Übung und ein exzellentes Gefühl für das Motorrad und den Untergrund.
Der Moment, in dem die Traktionskontrolle physikalisch machtlos ist und Sie trotzdem stürzen
So fortschrittlich die Technologie auch ist, sie kann die Gesetze der Physik nicht außer Kraft setzen. Eine Traktionskontrolle kann nur das Drehmoment regulieren, das auf den Reifen übertragen wird. Sie kann aber keinen Grip erzeugen, wo keiner ist. Es gibt ein klares Regel-Fenster, innerhalb dessen das System effektiv arbeiten kann. Sobald der Untergrund dieses Fenster verlässt, ist auch der beste Algorithmus machtlos. Als Fahrer müssen Sie diese absoluten Grenzen kennen, um sich nicht in falscher Sicherheit zu wiegen.
Der klassische Fall ist Glatteis oder eine plötzliche Ölspur in der Kurve. Hier sinkt der Reibungskoeffizient zwischen Reifen und Fahrbahn schlagartig gegen null. Das System wird zwar versuchen, die Leistung zu drosseln, aber da keinerlei Grip-Potenzial mehr vorhanden ist, kann es den seitlichen Ausbruch des Rades nicht verhindern. Der Sturz ist oft unvermeidlich. Das System kann den Unterschied zwischen nassem Asphalt (geringer Grip) und einer Ölspur (praktisch kein Grip) nicht schnell genug „fühlen“, um rechtzeitig eine Gegenmaßnahme einzuleiten, die über eine reine Leistungsreduktion hinausgeht.
Eine weitere kritische Situation ist der Einsatz von Schneeketten. Schneeketten funktionieren, indem sie sich in den Schnee oder das Eis „verbeißen“. Dafür benötigen sie einen gewissen Schlupf. Eine aktive Traktionskontrolle würde diesen notwendigen Schlupf als Fehler interpretieren und die Motorleistung reduzieren, was die Wirkung der Ketten konterkariert. Deshalb ist es zwingend erforderlich, Fahrassistenzsysteme wie die TC bei der Verwendung von Schneeketten zu deaktivieren. Die Traktionskontrolle ist ein brillantes Werkzeug, aber sie ist kein Allheilmittel. Sie kann die Haftung optimieren, aber sie kann sie nicht herbeizaubern. Das Erkennen dieser physikalischen Grenzen ist der letzte und wichtigste Schritt zur wahren Meisterschaft des Systems.
Wie erkennen Sie einen defekten ABS-Sensor, bevor das System komplett ausfällt?
Die gesamte sensorische Logik Ihrer Traktionskontrolle und Ihres ABS hängt von sauberen und exakten Daten ab. Die Achillesferse dieses Systems sind die Radsensoren und die dazugehörigen Sensorringe oder -scheiben. Ein verdreckter, beschädigter oder dejustierter Sensor liefert fehlerhafte Daten, was im besten Fall zu einer Fehlfunktion und im schlimmsten Fall zum kompletten Ausfall des Systems führt. Als Ganzjahresfahrer sind Ihre Sensoren besonders durch Streusalz, Schlamm und Straßenschmutz gefährdet. Eine regelmäßige Inspektion ist daher unerlässlich, um die Zuverlässigkeit zu gewährleisten.
Glücklicherweise gibt es klare Frühwarnzeichen, die auf ein Problem hindeuten, lange bevor die ABS-Warnleuchte dauerhaft leuchtet. Achten Sie auf sogenanntes „Phantom-Regeln“: Das System greift kurz auf trockener, griffiger Fahrbahn ein, obwohl es keinen Grund dafür gibt. Dies ist oft ein Zeichen dafür, dass ein Sensor durch metallischen Abrieb oder Schmutz ein fehlerhaftes Signal (einen vermeintlichen Radstillstand) sendet. Ein weiterer Indikator ist das Verhalten der ABS-Kontrollleuchte direkt beim Systemstart. Sie sollte kurz aufleuchten und dann wieder erlöschen. Bleibt sie länger an oder flackert sie, deutet dies auf ein Problem im Selbsttest hin. Die proaktive Wartung ist der Schlüssel.

Ihr Plan zur Sensor-Überprüfung
- Sichtprüfung: Kontrollieren Sie die Radsensoren an Gabel und Hinterbau auf grobe Verschmutzungen, insbesondere auf Streusalz-Reste nach dem Winter.
- Sensorringe prüfen: Inspizieren Sie die gelochten Sensorringe an den Radnaben. Sind sie verbogen, beschädigt oder stark verschmutzt?
- Kontrollleuchte beobachten: Achten Sie beim Einschalten des E-Bikes bewusst auf das korrekte, kurze Aufleuchten und Erlöschen der ABS-Leuchte.
- Auf Phantom-Regelungen achten: Seien Sie wachsam für unerklärliche, kurze Bremseingriffe oder Leistungsreduktionen bei perfekten Bedingungen.
- Sitz und Abstand kontrollieren: Stellen Sie sicher, dass der Sensor fest montiert ist und der Abstand zum Sensorring korrekt und gleichmäßig ist.
Warum bremst das Auto von selbst ein einzelnes Rad ab, wenn Sie zu schnell in die Kurve fahren?
Dieses Prinzip, bekannt als Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP) beim Auto, findet seine Entsprechung in modernen Motorrad- und E-Bike-Systemen wie dem Motorcycle Stability Control (MSC). Die Logik dahinter ist ein Geniestreich der Fahrdynamik. Wenn Sie zu schnell in eine Kurve fahren, neigt das Fahrzeug zum Unter- oder Übersteuern – es droht, aus der Kurve zu rutschen. Das System erkennt dies durch den Vergleich von Lenkwinkel, Gierrate (Drehung um die Hochachse) und den Raddrehzahlen. Stellt es eine Abweichung vom Soll-Kurs fest, greift es ein, indem es gezielt ein einzelnes Rad abbremst. Bei einem untersteuernden Auto (das über die Vorderräder schiebt) wäre das zum Beispiel das kurveninnere Hinterrad. Dieser Bremsimpuls erzeugt ein Giermoment, das das Fahrzeug zurück in die Spur „dreht“.
Bei einem E-Bike oder Motorrad ist die Mechanik etwas anders, aber das Prinzip der intelligenten, selektiven Regelung bleibt. Hier geht es vor allem um die Stabilität in Schräglage. Das MSC-System von Bosch gleicht permanent den vom Fahrer gewünschten Bremsdruck mit der physikalisch maximal übertragbaren Bremsleistung in der aktuellen Schräglage ab. Es verhindert so das Blockieren eines Rades in der Kurve, was unweigerlich zum Sturz führen würde. Diese Mikroregelungen im Millisekundenbereich sind für den Fahrer nicht spürbar. Während die Traktionskontrolle primär das Beschleunigen regelt, sichert das MSC das Bremsen und die Stabilität in der Kurve. Der folgende Vergleich zeigt die wesentlichen Unterschiede zwischen einem Auto-ESP und einer E-Bike-Traktionskontrolle.
| Kriterium | Auto-ESP | E-Bike-TC |
|---|---|---|
| Regelung | Einzelne Räder | Nur Motorleistung |
| Sensoren | 4 Raddrehzahlsensoren | 2 Sensoren (Vorder-/Hinterrad) |
| Eingriff | Bremse + Motor | Nur Motordrehmoment |
| Reaktionszeit | 10-20ms | 5-10ms |
Wie diese vergleichende Analyse der Systeme zeigt, sind die Eingriffe bei einem E-Bike auf die Motorleistung beschränkt, während ein Auto-ESP aktiv in die Bremsen einzelner Räder eingreifen kann. Das Verständnis dieses Unterschieds ist entscheidend, um die Fähigkeiten und Grenzen Ihres eigenen Systems realistisch einzuschätzen.
Wie nutzen Sie Telematik-Daten, um Fahrer zu sparsamerem Fahren zu motivieren?
Auf den ersten Blick scheint die Motivation zu „sparsamerem Fahren“ wenig mit Traktionskontrolle zu tun zu haben. Doch wenn wir „sparsam“ nicht mit Kraftstoff, sondern mit Risiko übersetzen, wird die Verbindung klar. Es geht um ein sichereres, vorausschauenderes Fahren, das die Assistenzsysteme seltener an ihre Grenzen bringt. Telematik-Daten, in diesem Fall harte Unfallstatistiken, sind der ungeschminkte Motivator, sich mit der Technik auseinanderzusetzen. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes für Deutschland sprechen eine deutliche Sprache und zeigen, warum das Thema gerade bei Pedelecs so relevant ist.
Die Daten zeigen, dass im Jahr 2024 von 441 getöteten Radfahrern in Deutschland 192 mit einem Pedelec unterwegs waren. Das ist ein erheblicher Anteil, der zum Nachdenken anregt. Es geht nicht darum, Panik zu verbreiten, sondern darum, ein Bewusstsein für die spezifischen fahrdynamischen Eigenschaften von E-Bikes zu schaffen. Kirstin Zeidler, die Leiterin der Unfallforschung der Versicherer (UDV), bringt es auf den Punkt: „Pedelecs sind zwar per se nicht gefährlicher als klassische Räder. Sie seien aber schwerer, beschleunigten stärker und seien daher nicht leicht zu handhaben.“ Genau hier setzen moderne Assistenzsysteme wie die Traktionskontrolle an.
Diese Daten motivieren uns als Fahrer, unser Wissen zu vertiefen. Sie sind der Beweis, dass das höhere Gewicht und die stärkere Beschleunigung eines E-Bikes ein anderes Fahrverhalten und ein tieferes technisches Verständnis erfordern. Die Auseinandersetzung mit der Funktionsweise der Traktionskontrolle ist somit die direkteste Form des „sparsamen“ Fahrens: Sie sparen Risiko, indem Sie die Fähigkeiten Ihres Fahrzeugs voll ausschöpfen und dessen Grenzen respektieren. Die Statistiken sind keine Anklage, sondern ein Appell zur Kompetenzsteigerung.
Das Wichtigste in Kürze
- Denken wie das System: Wahre Kontrolle entsteht durch das Verständnis der sensorischen Logik, nicht durch blindes Vertrauen in eine hohe Einstellungsstufe.
- Proaktiv statt reaktiv: Wählen Sie den Fahrmodus basierend auf dem erwarteten Grip-Potenzial des Untergrunds, bevor Sie in eine kritische Zone einfahren.
- Grenzen anerkennen: Weder die beste TC noch das beste ABS können die Physik überlisten. Bei Glatteis oder Öl ist die Technik machtlos.
Wie verhindern ESP und Notbremsassistenten, dass Sie die Kontrolle über Ihr Fahrzeug verlieren?
Die Traktionskontrolle ist nur ein Teil eines größeren, integrierten Sicherheitsnetzwerks. Systeme wie das Antiblockiersystem (ABS) und dessen Erweiterungen (wie das kurvenoptimierte MSC) arbeiten Hand in Hand, um den Kontrollverlust in verschiedensten Szenarien zu verhindern. Während die TC das Durchdrehen des Hinterrads beim Beschleunigen verhindert, sorgt das ABS dafür, dass die Räder beim Bremsen nicht blockieren. Ein blockierendes Vorderrad führt fast unweigerlich zum Sturz, ein blockierendes Hinterrad zu einem instabilen, ausbrechenden Heck. Das ABS hält die Räder im optimalen Bremsbereich, dem sogenannten Regelbereich, in dem die Bremswirkung maximal und das Fahrzeug lenkbar bleibt.
Die Wirksamkeit dieser Systeme ist keine Theorie, sondern statistisch belegt. Eine Unfallanalyse von Bosch hat ergeben, dass bis zu 29 Prozent aller Unfälle mit Pedelecs durch den Einsatz von ABS verhindert oder in ihren Folgen gemindert werden könnten. Das ist eine beeindruckende Zahl, die das enorme Sicherheitspotenzial dieser Technologie unterstreicht. Besonders in kritischen Alltagssituationen, wie einer Notbremsung vor einer roten Ampel auf nassem Kopfsteinpflaster, spielt das System seine Stärken aus.
Ein Praxistest des Bosch E-Bike ABS von 2023 illustriert dies perfekt: Das System, das bereits ab einer Geschwindigkeit von 6 km/h aktiv wird, verhinderte bei Testbremsungen auf nassem Kopfsteinpflaster – einem Szenario, das typisch für deutsche Altstädte ist – effektiv das Blockieren des Vorderrads. Gleichzeitig reduzierte die integrierte Hinterrad-Abheberegelung die Gefahr eines Überschlags bei einer Vollbremsung. Diese kombinierten Eingriffe zeigen, wie die Systeme ineinandergreifen, um ein umfassendes Sicherheitsnetz zu spannen. Sie reagieren nicht nur auf einen einzelnen Parameter, sondern analysieren die gesamte Fahrsituation, um den Fahrer in kritischen Momenten bestmöglich zu unterstützen und die Kontrolle zu bewahren.
Beginnen Sie noch heute damit, diese Denkweise anzuwenden. Beobachten Sie den Untergrund, fühlen Sie die Reaktion Ihres E-Bikes und nutzen Sie Ihre elektronischen Helfer nicht als Notbremse, sondern als intelligentes Werkzeug für eine souveräne und sichere Fahrt bei jedem Wetter.
Häufige Fragen zu Wie stellen Sie Ihre Traktionskontrolle ein, um bei Regen auf Kopfsteinpflaster nicht wegzurutschen?
Hilft die Traktionskontrolle bei plötzlicher Ölspur in der Kurve?
Nein, bei einer plötzlichen Ölspur in der Kurve kann die Traktionskontrolle nicht helfen, da kein ausreichender Grip vorhanden ist. Das System kann nur die Kraftübertragung regeln, aber keine Haftung erzeugen, wo physikalisch keine existiert.
Funktioniert TC bei Glatteis?
Die Traktionskontrolle ist bei Glatteis weitgehend machtlos, da quasi kein Grip-Potenzial mehr vorhanden ist. Ähnlich wie bei einer Ölspur kann das System einen Sturz nicht verhindern, wenn die Reifen die Haftung vollständig verlieren.
Sollte man TC bei Schneeketten abschalten?
Ja, bei der Nutzung von Schneeketten sollten Sie die Fahrassistenzsysteme wie die Traktionskontrolle abschalten. Schneeketten benötigen einen gewissen Schlupf, um sich in den Untergrund zu graben und für Vortrieb zu sorgen. Eine aktive TC würde diesen notwendigen Schlupf verhindern.